TEILEN!

MEDIKAMENTE RICHTIG ENTSORGEN

von Heidrun Grabitzer

Wer kennt es nicht: Man ist krank, geht zur ÄrztIn, bekommt Medikamente verschrieben, nimmt sie ein paar Tage lang ein und lässt den Rest dann in die Hausapotheke zu den anderen halben Packungen wandern. Irgendwann bemerkt man, dass einige Medikamente schon abgelaufen sind und die Hausapotheke ganz schön voll wird, und beschließt: Es ist Zeit einmal aufzuräumen. Doch wohin mit den ganzen unverbrauchten, abgelaufenen Arzneimitteln?

Welche Auswirkungen hat falsche Entsorgung?

Da immer noch wenige Daten über Wirkstoff (-Konzentrationen) und deren genaue Auswirkungen auf das Ökosystem vorliegen ist es schwierig, sich ein Bild des Schweregrades zu machen. Allerdings gibt es dank einem Projekt des Umweltbundesamtes in Deutschland [1] eine Datenbank, in welcher weltweit gemessene Arzneimittelrückstände gesammelt werden. Die Werte von insgesamt 711 unterschiedlicher pharmazeutische Substanzen wurden oberhalb ihrer Nachweisgrenzen gemessen, die meisten davon im Ablauf von Kläranlagen, aber auch in Öberflächen,- Grund,- und Trinkwasser.

Aber was hat das jetzt mit mir zu tun?

Dass erhöhte Konzentrationen von Wirk- und Problemstoffen nicht spurlos an Mensch und Natur vorbei gehen, ist naheliegend- und auch bestätigt: Die EU-Watchlist ist eine Beobachtungsliste für Stoffe, bei denen ein Überschreitungspotenzial der PNEC (predicted no effect concentration) besteht. Auf dieser Watchlist befinden sich unter anderem sogenannte Makrolid-Antibiotika, die zur Behandlung bakterieller Infektionen der unteren Atemwege verabreicht werden. Ihr großräumiger Einsatz sowohl in der Humanmedizin als auch in landwirtschaftlicher Tierhaltung führt bei den Bakterien zu den wohl bekannten Antibiotikaresistenzen, also dem Unempfindlich-Werden gegenüber eingesetzten Antibiotika. Kurz gesagt: Die Bakterien sind „immun“ gegen die Medikamente. Diese Resistenzbildung entsteht natürlich vermehrt dort, wo die Antibiotika eingesetzt werden. Antibiotika können aber z.B. durch das Abwasser in die Umwelt gelangen- gemeinsam mit den resistent gewordenen Bakterien, die dann nicht nur im Ökosystem, sondern schlussendlich auch direkt bei uns Menschen landen können [2].

Dass unser Ökosystem sehr sensibel auf solche Veränderungen reagiert zeigen auch die Auswirkungen von hormonellen Arzneimitteln, wie der Anti-Baby-Pille (17-alpha-Ethinylestradiol), welche nicht nur das Reproduktionsverhalten von Fischen negativ beeinflussen, sondern auch nachweislich zu einer Verweiblichung der Fisch-Männchen führen kann [3]. Ein besonders drastischer Fall von zu hoher Arzneimittel-Konzentration zeigte die 95%ige Ausrottung des in Indien und Pakistan beheimateten Bangalgeiers. Der Grund: Die Aasfresser verzehrten tote Kühe, die zu ihren Lebzeiten mit Diclofenac, einem Schmerzmittel, behandelt wurden [4], [5]. Hier gilt es zu betonen, dass es sich um einen Extremfall handelt, welcher sich auf Deutschland und Österreich aufgrund einer fehlenden Zulassung von Diclofenac als Tierarzneimittel nicht übertragen ließe. Dennoch zeigt es auf, wie leicht eine unbedachte Handhabung solcher Stoffe entgleiten kann.

Wann ist mein Arzneimittel abgelaufen? 

Das Ablaufdatum befindet sich auf der Packung des jeweiligen Arzneimittels. Da aber durch Luft oder Temperatur-Veränderungen die Haltbarkeit beeinflusst werden kann, gilt die Faustregel: Keine Medikamente länger als 5 Jahre aufbewahren. Vorsicht gilt vor allem bei flüssigen Arzneimittel: Das Haltbarkeitsdatum von Tropfen, Säften und Salben bezieht sich immer nur auf den ungeöffneten Zustand. Nach Öffnen sind die meisten Augen- und Nasentropfen nur 4 Wochen haltbar, am besten notiert man sich also das Datum, an dem die Produkte aufgemacht wurden.

Und wie entsorge ich jetzt richtig?

Das Abfallwirtschaftsgesetz definiert abgelaufene Medikamente als Problemstoffe. Diese gehören demnach auf Mistplätze der Gemeinde, Problemstoffsammelstellen oder zurück in die Apotheke, wo diese unentgeltlich entsorgt werden. Auf keinen Fall sollen die restlichen Medikamente in der Toilette oder im Restmüll entsorgt werden.

Sind die Medikamente also abgelaufen, so müssen sie zuerst einmal ausgepackt werden, das heißt Karton, Beipackzettel und Gläser gehören in die Altpapier- bzw. die Altglastonne. Tabletten sollen allerdings nicht einzeln aus dem Blister gedrückt, sondern im Blister abgegeben, Spritzen und Nadeln nur in stichfesten und fest verschlossenen Behältern entsorgt werden. Wichtig ist, dass sonstige Problemstoffe wie Chemikalien, Batterien oder Fieberthermometer nicht gemeinsam mit Arzneimitteln, sondern unbedingt separat bei der Problemstoffsammelstelle abzugeben sind. Nur Verbandsstoffe, Binden, Windeln etc. können im Hausmüll entsorgt werden.

„Bring me back!“  Ein Projekt für richtige Arzneimittelentsorgung in Österreich

Studierende der Austrian Medical Association (AMSA) haben gemeinsam mit dem Akademischen Fachverein Österreichischer Pharmazeut_Innen (AFÖP) eine Aufklärungskampagne zum Thema „Richtige Arzneimittelentsorgung in Österreich“ gestartet.

Um die Lage in Österreich besser einschätzen zu können, ist auch eine Umfrage zum individuellen Entsorgungs-Verhalten Teil unseres Projekts: Hier geht’s zum Link: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSeO1THpifOXa-gES1QZEOiELo2tU4K6FT1PWZ2NPk5ZNTN_xg/viewform

Hier findet man noch weiterführende Informationen, die einige Bundesländer zur Verfügung stellen:

https://www.wien.gv.at/umwelt/ma48/beratung/muelltrennung/altmedikamente-richtig-entsorgen.html

https://www.abfallwirtschaft.steiermark.at/cms/dokumente/11067638_134973541/6c073bcf/Infoblatt_Altmedikamente_Version1.pdf

https://www.wien.gv.at/umwelt/ma48/service/publikationen/pdf/apothekenfolder.pdf

Über die Autorin:

Heidrun Grabitzer ist angehende Pharmazeutin, Editorin sowi Grafikerin für den akademischen Fachverein österreichischer PharmazeutInnen. Sie arbeitet außerdem aktiv an der Initiative „Bring me back“ mit.

Quellen

[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/arzneimittel/die-uba-datenbank-arzneimittel-in-der-umwelt

[2] „Antibiotika und Antibiotikaresistenzen in der Umwelt“, 2018, 44.

[3] Sommer, „Arzneimittelwirkstoffe“.

[4] Ärzteblatt, „Arzneimittelentsorgung“.

[5] https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/artenschutz/geier/03530.html